Tierschutz live erlebt


Tierfreunde Kreta - Noahs Arche Chania

In unserem letzten Urlaub über Ostern 2015 eröffnete sich uns ganz unerwartet die Möglichkeit, uns einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Wir bekamen Kontakt zu einer im Ausland aktiven Tierschützerin und durften realen Einblick nehmen in die aufreibende Tierschutzarbeit von Silke Wrobel auf Kreta.


Tierfreunde Kreta - Noahs Arche Chania

Hier meine Reiseeindrücke:

 

Nachdem wir uns mit unserem Leihwagen in die quirlige Stadt Chania gewagt und unsere Parkplatzsuche uns glücklicherweise in ein Parkhaus in der Innenstadt geführt hatte, suchten wir nun nach einem schattigen Plätzchen,um bei einem Kaffee zu verschnaufen. Dabei kamen wir an einem kleinen Laden mit heruntergezogenen Jalousien vorbei, in dem schief ein verblasstes Plakat hing: Tierfreunde Kreta e.V. - Noahs Arche Chania.

 

Kirche Agios Nikolaos in Chania

Während ich meinen Kaffee und den Blick auf die Kirche Agios Nikolaos genoss und noch überlegte, ob wir versuchen sollten, jemanden von dieser Tierschutzorganisation zu erreichen, um unseren neu gegründeten Verein und unsere SOS-Tierschutzprojekte vorzustellen, lief eine alte Frau an uns vorbei, einen humpelnden, kleinen Hund an der Leine, das Handy am Ohr, tief in ein auf Englisch geführtes Gespräch versunken.

Als sie nach einer kleinen Runde erneut an uns vorbeikam, sprach sie deutsch mit ihrem Gesprächspartner. 

 

Wir blickten uns an und hatten den selben Gedanken!

 

Schnell bezahlten wir und holten sie gerade noch ein, bevor sie in ihren blauen, bis unter die Decke vollgepackten Kombi steigen konnte. Wir stellten uns und unsere Tierschutzidee vor und der erste Satz, den wir von ihr hörten, war:

„Euch schickt der Himmel! Nehmt ihr auch ein Tier mit?“

So begann unsere Zusammenarbeit… 

Neben ihrem Infoladen setzen wir uns in ein kleines Café am Straßenrand, in dem man die alte Dame gut kannte. 

Nino, ihre griechische Mitarbeiterin, brachte den kleinen Hund weg und schon suchte Silke Wrobel nach Fotos auf ihrem Handy.

Dabei erzählte sie die Geschichte ihres zurzeit schlimmsten Notfalls. Ein kleiner Hund war ihr verletzt gebracht worden, wahrscheinlich ein Unfallopfer. Die Füße der beiden Hinterläufe waren abgetrennt, er hatte sich die Stümpfe abgeknabbert. Alle rieten ihr, den Hund einzuschläfern und räumten ihm keine Überlebenschance ein. Was für eine Lebensqualität hätte er nach der sicherlich notwendigen Amputation noch gehabt? Aber sein Überlebenswille und seine unbändige Lebensfreude überzeugten die Tierschützerin. Sie nahm ihn mit in ihren Infoladen, 15 m², auf denen die ehemalige Krankenschwester alle Notfalltiere versorgt, die intensive Pflege brauchen. Seine stets fröhliche Art bestätigte Silke Wrobel darin, richtig entschieden zu haben. Und tatsächlich: Die OP verlief gut, durch ihre liebevolle Pflege verheilten die Wunden und das Fell wuchs nach.

 

Für ihn wünscht sie sich nun nach seiner Genesung nichts sehnlicher als einen kleinen Rolli, damit er seine Freude am Leben wieder voll ausleben und herum rennen kann. Ohne Laufhilfe besteht leider ständig die Gefahr, dass alles wieder aufreißt, da er sich trotz seines Handicaps bewegen will und die Stümpfe über den Boden nachzieht.

 

Wir boten ihr natürlich sofort an, dieses SOS-Tierschutzprojekt für Noahs Arche Chania auf unserer Homepage einzustellen, um dem kleinen Kerl zu helfen.

Bevor wir unseren Rundgang durch die Stadt Chania fortsetzten, schauten wir uns noch eine kleine, blinde Katze an, die wir auf dem Rückflug mit nach Deutschland nehmen wollten. Leider gibt es seit geraumer Zeit große Schwierigkeiten, Tiere als Flugpate aus dem Land zu begleiten. Bei meiner Recherche im Internet fand ich bestätigt, dass Tiertransporte blockiert und Tierschützer am Flugplatz verhaftet worden waren. Also sagten wir zu, uns im Impfpass und in den Reisepapieren als Besitzer eintragen zu lassen, was beim Verlassen des Landes von den Behörden weiterhin problemlos akzeptiert wird.

Wir verabredeten noch einen Termin bei dem Tierarzt, mit dem Silke Wrobel zusammenarbeitet, um dort alle Formalitäten zu erledigen.

 

Im Weggehen fragte Silke Wrobel uns dann noch, wo unser Hotel sei und ob wir ein deutsches Ehepaar abholen und zum Tierarzttermin mitnehmen könnten. Sie hatten sich einen Hund ausgesucht, den sie adoptieren wollten.

Gerne stimmten wir zu und kehrten zu den normalen Urlaubsaktivitäten zurück: Die Erkundung der alten Innenstadt und des Hafens von Chania standen auf unserem Plan. Nach unserer schicksalhaften Begegnung machte es mir besonders viel Freude, in den kleinen Verkaufsgassen rund um den Hafen und in der Altstadt Geschenkartikel für unsere Tierschutzidee einzukaufen, die wir nun auch in unserem Spendenshop anbieten. 

Wieder im Hotel hatten wir schnell mit dem deutschen Ehepaar den Kontakt hergestellt und uns verabredet.


Unser Abenteuer war aber noch lange nicht ausgestanden. Denn in der Tat abenteuerlich gestaltete sich die Nachbuchung eines Handgepäcks für die kleine, blinde Katze. Fast 48 Stunden brauchten wir dazu, mit Hilfe unserer Reiseleitung die richtigen Ansprechpartner bei unserer Fluglinie zu finden. Auch die vorgegeben Maße der Transportbox mussten mit Silke Wrobel abgestimmt werden. Schließlich konnten wir die Buchung und Zahlung von 75 Euro per Internet vornehmen und uns die Flugunterlagen für die Abfertigung am Flughafen an der Rezeption ausdrucken lassen.

 

Was Tierschutzarbeit in Griechenland wirklich bedeutet, erfuhren wir allerdings erst am Tag des verabredeten Tierarztbesuchs. 

 

Wir trafen uns mit Silke Wrobel an der Abfahrt nach Chania auf dem Parkplatz eines Supermarkts und folgten ihr in das Chaos der Innenstadt, immer bemüht sie an den Ampeln im dichten Verkehr nicht zu verlieren. 

 

 

Einen Stopp wollten wir an der Zoohandlung einlegen, wo die Tierschützerin dem deutschen Ehepaar die Transportbox zeigen wollte, die sie für die Hündin ausgesucht und selbstverständlich im Preis heruntergehandelt hatte.

 

Parkplätze gab es natürlich nirgends, also stoppte der blaue Kombi, die Warnblinkleuchte ging an und Silke Wrobel stieg aus.

In aller Seelenruhe suchte sie nach dem Besitzer des Zoohandels. Was blieb uns anderes übrig, als ebenso „griechisch“ dahinter in zweiter Reihe zu parken? Ich malte mir lebhaft aus, was passieren würde, wenn ein Bus an uns vorbeifahren wollte… und war heil froh, als wir nach Inspektion der Transportbox wieder ins Auto stiegen und unsere Fahrt zur Tierarztpraxis fortsetzten.

 

Nicht viel besser gestaltete sich die Parkplatzsuche vor der Tierarztpraxis, allerdings wurden dort die Autos schnell vor der Tür umgeparkt, so dass wir nicht wieder den gesamten Straßenverkehr blockierten.

Gerade wollten wir bei einem Becher Kaffee mit der Aufnahme der Personalien und dem Ausfüllen der Impfpässe beginnen, da klingelte Silke Wrobels Handy. 

Während des Gesprächs auf Englisch begann die alte Dame nicht gerade sehr damenhaft zu fluchen.

 

Mit einer Entschuldigung ließ sie uns zurück, ein Notfall hätte sie erreicht, der keinen Aufschub duldete.

Auf der Hauptstraße waren acht Welpen gesichtet worden, die dort herumrannten und Gefahr liefen, dem dichten Verkehr zum Opfer zu fallen.

 

Nach dem Erledigen aller Formalitäten warteten wir geduldig auf die Rückkehr der Tierschützerin. Irgendwann klingelte das Telefon. Silke Wrobel ließ uns ausrichten, sie sei in fünf Minuten zurück in der Praxis. Der Tierarzt grinste nur und meinte, da sei sie schon sehr griechisch... das könne alles zwischen fünf Minuten und einer Stunde bedeuten.

So lange dauerte es dann aber doch nicht und sie fuhr mit allen Welpen im Kofferraum vor. Sie war immer noch sehr aufgebracht, da sie diese Welpen vor einer Woche geimpft und mit den Leuten vor Ort vereinbart hatte, sie nach der zweiten Impfung dann in ihre Quarantänestation aufzunehmen.

 Nun hatte sie jemand trotz ihrer Zusage vorzeitig auf der Straße ausgesetzt. Gott sei Dank hatte sie sie alle auflesen können, bevor einer überfahren wurde.

 

Endlich konnte es weiter gehen. Nach einer weiteren abenteuerlichen Parkplatzsuche in der Nähe des Infoladens wollten wir uns nun die Quarantänestation ansehen, in der alle Hunde warteten, die bereits vollständig geimpft, gechipt und entwurmt für die Ausreise vorbereitet waren... so auch die sechseinhalb Monate alte schwarze Hündin Seira, die sich das deutsche Ehepaar zur Adoption ausgesucht hatte. 

Was uns dann hinter dem zugewachsenen Eingang schräg gegenüber des Infoladens erwartete, waren ein beißender Uringeruch und um die zwanzig Hunde, die alle nach vorne gestürmt kamen, um eine Streicheleinheit zu erhaschen. Allen voran Seira... 

 

 

Die Zustände vor Ort standen in krassem Gegensatz zu unseren westlichen Vorstellungen einer Quarantänestation und doch war die ehemalige Krankenschwester dankbar und stolz, dieses Fleckchen und ihre Mitarbeiterin zu haben, die ständig damit beschäftigt war, den Boden zu säubern und zu desinfizieren. In einem kleinen, abgetrennten Bereich drückten sich die geretteten Welpen verloren in einer Ecke zusammen. Weiter hinten erkannte ich den kleinen, humpelnden Hund, den Silke Wrobel am Tag unserer ersten Begegnung ausgeführt hatte. Er lugte ängstlich hinter einem Verschlag hervor.

Ich sah in die vielen traurigen, fragenden Augen und wäre völlig überfordert gewesen, hätte ich aus all diesen liebenswerten Hunden tatsächlich einen aussuchen müssen.

 

Wir tranken in einem kleinem Café noch einen letzten Kaffee, regelten alle finanziellen Fragen und verabschiedeten uns für diesen Tag von Silke Wrobel. Leider hatten wir die beiden Tierauffangstationen, das Hunde- und das Katzenhaus nicht mehr sehen können, da beide nur am Vormittag geöffnet waren.

So brachten wir das deutsche Ehepaar wieder zurück zu ihrem Hotel. Ihr Flugzeug sollte am nächsten Tag bereits am frühen Morgen abfliegen, unser Rückflug in die Heimat war erst für die Mittagszeit vorgesehen.

 

 

Um so erstaunter waren wir, als wir Silke Wrobel am folgenden Tag mit dem Ehepaar und der Hündin Seira vor dem Flughafengebäude warten sahen. Sie hatten bereits eingecheckt, aber ihr Flug war noch nicht aufgerufen.

Der blaue Kombi parkte wieder ganz selbstverständlich im Halteverbot.

Beim Ausstieg aus dem Bus hatte uns die Reiseleitung mitgeteilt, dass sich einige Flüge verschieben würden: Der Sturm ließe zurzeit Landungen und Starts nur begrenzt zu. Unser Flug allerdings schien noch keine Verspätung zu haben.

So setzten wir die kleine, blinde Katze schnell in ihre Transportbox um. Ein wenig Beruhigungsmittel wurde ihr von Silke Wrobel noch verabreicht, ein letzter Abschiedsgruß und wir beeilten uns, den richtigen Abfertigungsschalter in dem dichten Gedränge zu finden.

 

Die Schlange vor dem Schalter war nicht mehr sehr lang, tatsächlich schien alles für Griechenland ungewohnt schnell und unproblematisch abzulaufen.

Noch einmal ein Formular in doppelter Ausfertigung ausgefüllt, ein prüfender Blick und schon waren unsere Koffer gewogen und aufgegeben, das Handgepäck registriert. Auch bei der Kontrolle des Handgepäcks legten die Beamten ein ungewohntes Tempo vor, keinerlei Komplikationen oder Nachfragen wegen 'unserer' blinden Katze.

 

Nur beim Durchleuchten kam die Frage: "Is she angry?"

Silke Wrobel hatte uns vorgewarnt, auf keinen Fall die Katze aus der Transportbox zu nehmen. Aufgrund ihres Handicaps war sie sehr ängstlich und würde möglicherweise extrem reagieren.

 

Also beschwichtigte ich die Beamtin und meinte nur:
"She is scared but it's okay!" So verschwand die Transportbox schließlich im Durchleuchtungsgerät. Das Kätzchen blieb ruhig. Wir waren glücklich durch die Abfertigung gekommen.

 

Einen Kaffee hatten wir uns nun nach diesem Abenteuer wahrlich verdient! Unsere erste Flugpatenschaft!

 

Allerdings blieb uns keine Zeit, ihn in Ruhe zu trinken, denn sehr schnell kam die Aufforderung, uns ins Flugzeug zu begeben.

Diese Eile war schon etwas befremdlich.

Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass der Sturm sicherlich gerade nicht ganz so schlimm war und der Start deshalb schnellstens erfolgen sollte. Tatsächlich starteten wir noch vor der planmäßiger Abflugzeit.

Wir hatten es geschafft! Unser blindes Kätzchen Cassy, wie wir es getauft hatten, schlief den ganzen Flug über friedlich zu meinen Füßen. Ich saß ein wenig unbequem, aber das war diese Sache allemal wert.

 

Nach der Landung kamen wir schließlich auch noch unbehelligt durch den deutschen  Zoll.

Frau Grotz, die schon lange mit der Tierschützerin auf Kreta zusammenarbeitet und immer wieder schwer vermittelbare Tiere bei sich auf ihrem Gnadenhof in der Nähe von Wolfenbüttel aufnimmt, erwartete uns schon.
Wir konnten unsere Cassy schließlich in ihre Hände übergeben und hoffen schon bald von der kleinen, blinden Katze zu hören. Wir wünschen ihr ein schönes Leben!

 

 

Von Seira und ihrer neuen Familie haben wir auch schon die neuesten Nachrichten, Fotos und ein wunderschönes Video bekommen. Sie konnten wegen des Sturms erst einen Tag später nach Deutschland fliegen.

Dafür haben sie aber ihre absolute Traumhündin gefunden! Und wenn man sieht, wie schnell Seira sich eingelebt hat und wie sie aufblüht, weiß man warum man Hunde adoptieren und nicht kaufen sollte. Sie haben diese Chance verdient!